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Justizministerin Zatschewa: Bulgarische Gesetzgebung bietet keinen adäquaten Schutz vor häuslicher und psychischer Gewalt

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Foto: BGNES

Eine internationale Konferenz zum Thema "Sichere Zukunft für die Frauen – sichere Zukunft für alle", organisiert von der Assoziation Animus versammelte Vertreter von staatlichen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen zu einem offenen und ehrlichen Gespräch.

Die Konferenzteilnehmer waren sich einig, dass die Gewalt gegenüber Frauen ein Problem ist, das keinen Aufschub duldet. In diesem Zusammenhang erinnerte die Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Außenpolitik, Djema Grosdanowa, dass Bulgarien als letztes EU-Mitgliedsland zwar die Istanbul-Konferenz unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert habe. Offiziell werde diese Konvention dann in Kraft treten, wenn die bulgarische Gesellschaft bereit dafür sei. Bis dahin sollten andere Maßnahmen ergriffen werden, um die Opfer von Gewalt zu schützen.

Justizministerin Zezka Zatschewa plädierte deshalb für Änderungen im Strafgesetzbuch. Sie ist der Ansicht, dass die bestehenden Texte im Strafgesetzbuch die Gewaltopfer nicht genügend schützen. Gewalt werde nicht als Verbrechen angesehen. Diese Angaben stammen aus einer Untersuchung der Gerichtspraxis von 10 Bezirksgerichten im Zeitraum 2012 - 2014 und betreffen verhängte Strafen für vorsätzlichen und versuchten Mord an Frauen. In 91% der Fälle wurden diese Morde von Männern verübt, bei 7% unter Mitwirkung von Männern und Frauen. Nur 2% der Morde wurden von Frauen verübt. In 35% der Fälle wurde der Mord oder der versuchte Mord von jetzigen oder ehemaligen intimen Partnern des Opfers verübt. In 25% der Fälle handelt es sich um den Vater, Sohn, Bruder, Enkel oder einen anderen männlichen Vertreter aus der engen Verwandtschaft, in 31% der Fälle ist es ein bekannter Mann. Nur in 9% der Fälle war ein unbekannter Mann der Täter.

Die häusliche Gewalt sollte in den Brennpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken und es sollten Änderungen im Strafgesetz geben, empfahl Justizministerin Zatschewa, denn es sei ganz offensichtlich, dass es Lücken gebe, insbesondere was den Schutz der Opfer betreffe. Belästigung oder Nachstellung ist in Bulgarien kein Verbrechen und wird nicht entsprechend geahndet, so wie es in den anderen europäischen Staaten der Fall ist. Die Verfolgung von psychischer Gewalt durch das Gesetz sei auch nicht garantiert. Es sei eine weit verbreitete Form der Gewalt in der Gesellschaft, die jedoch im Dunkeln bleibe. Es gehe dabei in erster Linie um verbale Gewalt, an zweiter Stelle um die Isolation des Opfers und die Vorenthaltung von Mitteln zum selbständigen Handeln. An dritter Stelle stehe die Vorenthaltung des Lebensunterhalts, unterstrich Zatschewa. Ähnliche Handlungen zeichnen aber nicht nur das Opfer, sondern auch Kinder, die mit im Haushalt leben.

An den Diskussionen beteiligte sich auch eine Frau, die jahrelang häuslicher Gewalt ausgesetzt war. Viele Male hatte sie ihren Mann verlassen, ist aber auch immer wieder in der Hoffnung zurückgekehrt, dass es dieses Mal anders sein werde. Das Drama hat aber jedes Mal von vorn angefangen...

Ihre Geschichte provozierte Innenminister Zwetan Zwetanow das Thema der Gewalt zu ergänzen und die Diskussion auf das Problem Menschenhandel zu lenken. Das Gemeinsame zwischen beiden Verbrechen ist, dass sie gegen die Persönlichkeit gerichtet seien, betonte Zwetanow. Diese Art Verbrechen sollten auch stärker geahndet werden. Bisher lauteten die Strafen in 95% der Fälle „auf Bewährung“, gab Zwetanow bekannt, doch „wenn die Institutionen zusammenarbeiten, können sie den nötigen Effekt mit Änderungen im Gesetz erreichen.“ Ein Beweis dafür sei, dass dem bulgarischen Staat gelungen sei, die Strafen für Menschenhandel auf bis zu 15 Jahre zu erhöhen. Die Strafgebühren seien auch heraufgesetzt, ebenso die Mindeststrafe und das mache möglich, dass Personen für diese Straftat real einsitzen können, unterstrich der Innenminister, stellte aber auch die Frage, ob jeder Bürger und jeder Politiker sensibel genug für diese Thematik sei.

Zwetan Zwetanow stellte fest, dass die Kommunalverwaltungen momentan nichts oder wenig tun, um vor Ort regionale Kommissionen für die Bekämpfung von Menschenhandel zu bilden. Momentan gebe es nur 10 solcher Kommissionen. Ein Engagement der Gesellschaft sei aber unabdingbar, unterstrich der Innenminister. „Wir müssen vor allem die Eltern erreichen, denn das Familienumfeld ist von größter Bedeutung, wenn es darum geht zu verhindern, dass die Kinder in solche Art Verbrechen verwickelt werden.“

Übersetzung: Georgetta Janewa



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