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Das Wirtschaftsjahr 2018


Das Jahresende ist ein guter Anlass, um Bilanz über die vergangenen 12 Monate zu ziehen und einen Blick auf das kommende Jahr zu werfen.

Während der Rückblick über das eigene Wohlergehen oder Scheitern durchaus subjektiv sein kann, zählen in der wirtschaftlichen Bilanz nur die konkreten Zahlen und Fakten.

Die Unzufriedenheit der einfachen Bulgaren und die globalen Ziele

In den letzten Monaten des Jahres überschlugen sich die Nachrichten über Streiks und unzufriedene Bürger, die gegen die hohen Brennstoffpreisen und die allgemeine Teuerung des Lebens protestieren und einen besseren Lebensstandard, höhere Gehälter und Renten fordern. Obwohl die Forderungen durchaus gerecht sind, entsprechen sie nicht den Möglichkeiten der Unternehmer und des Staates in dieser Phase der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Ergebnisse der staatlichen Unternehmen in den ersten neun Monaten des Jahres sind nicht zufriedenstellend, zeigen die statistischen Angaben, die in der Internetseite des Wirtschaftsministeriums veröffentlicht wurden. Die großen staatlichen Unternehmen wie die Bulgarischen Eisenbahnen, die Nationale Elektrizitätsgesellschaft und das Wärmekraftwerk Mariza-Ost 2 verschlingen Unsummen öffentlicher Gelder und schreiben trotzdem rote Zahlen. Im staatlichen Sektor gibt es natürlich auch positive Beispiele und Gewinne wie beispielsweise das AKW Kosloduj, der Flughafen Sofia und die Luftverkehrsleitung.

Die Finanzergebnisse und die niedrige Produktivität in Bulgarien im Vergleich zu den entwickelten europäischen Staaten erlauben nicht, die Gehälter spürbar zu erhöhen, was eigentlich die Unzufriedenheit in der Gesellschaft schürt und die Grundlage für alle Proteste und das Ausbluten des Landes bildet.

Einer soziologischen Umfrage der Meinungsforschungsagentur Sowa Harris vom Oktober zufolge, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben wurde, ergab, dass 23% der Bulgaren im arbeitsfähigen Alter oder 1.650.000 Bulgaren im Alter zwischen 18 du 64 Jahren, vorhaben, im Ausland nach Arbeit zu suchen. Hauptgrund – die bessere Bezahlung. Sofort an zweiter Stelle wird als Grund die Sicherheit angegeben, gefolgt von der besser funktionierenden Sozial- und Gesundheitsfürsorge in den entwickelten EU-Staaten.

Die Bulgarische Wirtschaftskammer alarmierte 2018 über eine Abnahme der ausländischen Investitionen. 2018 kann sich als das erste Jahr erweisen, in dem die ausländischen Investitionen weniger als 1% vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausmachen. 2007 hingegen betrugen die Auslandsinvestitionen 25% vom BIP.

Die Gründe dafür können im Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, der schlechten Infrastruktur, langsamen Gerichtsverfahren und schlechten administrativen Dienstleistungen in einigen Gemeinden und in der allgegenwärtigen Korruption gesucht werden.

Gibt es ein Licht im Tunnel?

Nicht wenige Wirtschaftsexperten weisen aber auf die Tatsache hin, dass die Investitionen zwar weniger sein mögen, doch dafür nachhaltiger und langfristig betrachtet eine größere Bedeutung für die Entwicklung des Landes haben.

Während die Geldströme 2007 vorwiegend in Richtung Immobilien und Finanzvermittlung geflossen sind, wurden 2018 die meisten Mittel in die Industrieproduktion investiert und das sagt Einiges über die strategischen Interessen der ausländischen Investoren aus. Investiert wird in bereits bestehenden Produktionen, im Bau neuer Betriebe und in Forschung und Entwicklung. Beispiele dafür gibt es viele.

Die Bader GmbH hat ihr festes Vorhaben bekundet, in der Nähe von Russe einen Betrieb mit 700 Arbeitsplätzen zu eröffnen. Die neue Fabrik soll Bezüge für Autositze für die gehobene Preiskategorie herstellen. Der Produktionsstart ist für die zweite Jahreshälfte 2019 geplant.

Der türkische Kupferprodukthersteller Sarkuysan investiert 8,6 Millionen Euro in den Bau einer Kabelfabrik in der Industriezone von Schumen. Die Investoren versichern, dass der Betrieb mit neuen, umweltschonenden Maschinen ausgerüstet werden soll.

Die chinesische Korporation Cenntro Automotiv Group baut mit Partnern aus Bulgarien und Luxemburg in der Nähe von Plowdiw eine Fabrik für die Herstellung von elektrischen Kleintransportern. Es werden 10 Millionen Euro investiert. In der ersten Jahreshälfte 2019 soll der erste Kleintransporter vom Stapel gehen. Die Ziele der Chinesen sind weit gesteckt. Dieser Betrieb soll in den Mittelpunkt für Europa rücken nicht nur für das Zusammenbauen von Fahrzeugen, sondern auch für die Produktion von Einzelteilen und Instandhaltung.

Ein weiteres Beispiel ist die Schweizer Lem Holding, weltweiter Marktführer für die Herstellung von Stromwandlern, die 2013 in eine neue Produktionsbasis in Sofia 1,6 Millionen Euro investiert und 40 Arbeitsplätze geschaffen hat. Nur 5 Jahre später hat Lem Bulgaria bereits 300 Angestellte und arbeitet für Fanuc, ABB, Siemens, Schneider, General Electric und vielen anderen.

Das globale Konsortium ABB, das seit 22 Jahren in Bulgarien präsent ist, baut in Petritsch seinen fünften Betrieb.

Coca Cola, der weltweite Führer auf dem Markt für alkoholfreie Getränke, hat in Sofia ein Zentrum für Forschung und Entwicklung eröffnet, das für die digitale Transformation des Unternehmens eine Schlüsselrolle spielen soll. Die IT-Abteilung soll nach dieser in Atlanta die zweigrößte sein und 130 Arbeitsplätze für hochqualifizierte Spezialisten bieten.

Ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum eröffnet in der Schwarzmeerstadt Burgas die bulgarische ScaleFocus mit der Idee, in Bulgarien Hochtechnologieprojekte zu „importieren“ und nicht IT-Spezialisten zu exportieren.

Die Liste mit Beispielen für Investitionen ist lang. Sie alle beweisen, dass Bulgarien den richtigen Entwicklungsweg eingeschlagen hat. Neue Arbeitsplätze für Spezialisten entstehen und vielleicht wird das einige der bulgarischen Emigranten in die Heimat zurückkehren lassen oder jene 23%, die vorhaben, Bulgarien zu verlassen, zum Umdenken zu bewegen. Zweifellos wird das der Wirtschaft einen neuen Schwung verleihen. Licht im Tunnel gibt es. Wenn auch langsamer als es sich die Bulgaren wünschen, bewegt sich die bulgarische Wirtschaft eindeutig nach vorn.

Fotos: economic.bg, cenntroauto.com und Archiv

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